Ab Dezember 2019 bietet First Class Zollservice eine neue Methode zur Kontrolle von Luftfracht an. Unser Geschäftsführer Holger Hille gibt in diesem Artikel einige Hintergrundinformationen und erklärt,
- warum er einerseits kein Fan des REST-Verfahrens ist,
- andererseits seinen Kunden aber die Möglichkeiten anbietet, Fracht auf diesem Wege sicher zu machen.
Wie sicher ist das REST-Verfahren?
Man kann geteilter Meinung sein, was die Sicherheit des REST-Verfahrens betrifft.
Details erkläre ich weiter unten ausführlich. In der Kurzfassung: anders als bei normaler Kontrolle werden beim Restverfahren NICHT die einzelnen Frachtstücke kontrolliert.
Im Unterschied zur Kontrolle jedes einzelnen Stücks kann man also nicht von gleich hoher Sicherheit ausgehen.
Leider haben wir aber in Europa in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Regelungen.
- In Deutschland ist aus Sicherheitsgründen das REST-Verfahren bisher nicht erlaubt.
- Seit Mitte 2019 ist auch das Sonderkontrollverfahren nicht mehr erlaubt.
- Im benachbarten Ausland sind diese Methoden aber weiter möglich.
So stehen Versender in Deutschland vor der Situation, dass sie ihre Waren nicht mehr als Luftfracht verschicken können.
Es sei denn,
- Sie besorgen sich eine Zulassung als bekannter Versender. Das ist meine Empfehlung!
- Oder Sie transportieren Ihre Fracht auf dem Landweg ins benachbarte Ausland und steigen dann dort auf Luftfracht um.
Das ist aus meiner Sicht nur die zweitbeste Lösung. Eine „sichere Lieferkette“ ab bekanntem Versender ist hinsichtlich der Gefahrenabwendung tatsächlich „sicherer“. Über die weniger sichere Abwicklung im Ausland kann man eigentlich nur den Kopf schütteln.
Wie funktionieren bisher die Kontrollen zum Schutz der Luftfahrt vor Sprengstoffanschlägen?
Die Kontrolle besteht bisher darin das Frachtstück mittels einer Röntgenanlage zu durchleuchten, um den Inhalt feststellen zu können. Sollte aufgrund der hohen Dichte des Frachtstücks, eine Kontrolle durch eine Frachtröntgenanlage nicht möglich sein, so müssen andere Kontrollmethoden benutzt werden.
Dabei muss das Packstück geöffnet werden und mittels eines Sprengstoffspurendetektors, einer visuellen und physischen Durchsuchung per Hand oder mit einem Sprengstoffspürhund kontrolliert werden.
Nur so kann sichergestellt werden, dass sich keine gefährlichen Gegenstände in den Gütern befinden.
Und wie funktioniert das REST-Verfahren?
REST ist die Abkürzung für Remote Explosives Scent Tracing. Ins Deutsche übersetzt heißt das ungefähr: Sprengstoff-Duft-Erkennung aus der Ferne.
Hier geht es darum mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung Luftproben aus dem vollbeladenen LKW zu entnehmen und diese Luftproben einem Sprengstoffspürhund zur Geruchskontrolle vorzulegen.
Dabei wird das Frachtstück weder vom LKW entladen, noch geöffnet, noch mittels Röntgenanlage durchleuchtet. Das REST-Verfahren verspricht eine schnelle Abfertigung von Gütern und soll zudem den Inhalt der Fracht vor Beschädigungen schützen.
Die Vorannahme dabei ist, dass innerhalb der Packung befindlicher Sprengstoff immer Duftspuren in die Luft innerhalb des LKSs abgibt.
Was aber, wenn die Ware luftdicht verpackt ist?
Luftfracht/Luftpost wird gemäß gesetzlicher Vorgaben bei der Produktion, Verpackung, Lagerung, Versand und/oder dem Transport vor unbefugtem Eingriff oder Manipulation von außen geschützt.
Das heißt unter anderem, dass die Verpackung keine Löcher oder Schlitze aufweisen darf – denn durch eine solche Öffnung wäre es möglich, einen verbotenen Gegenstand (wie z.B. Sprengstoff) einzubringen.
Die meisten Versender verpacken ihre Güter deshalb so gut, dass weder Wasser eindringen noch Luft entweichen kann.
Aus diesem Grund werden bisher luftdichte Verpackungen bei der Kontrolle geöffnet. Wie sonst soll der Hund Sprengstoffgeruch aus dem Innern der Verpackung erkennen können?
Das REST-Verfahren wurde zur Erkennung von Bodenminen entwickelt.
Der Ursprung der REST Methode liegt in einem ganz anderen Bereich: Erkennung von vergrabenen Bodenminen. Man kann sich fragen, ob das einfach auf luftdicht verpackte Luftfracht übertragen werden kann.
Das REST-Verfahren basiert auf einer Studie des „Geneva International Centre for Humanitarian Demining, kurz GICHD.
Diese Studie handelt von besonderen Testverfahren zur Detektion von Landminen mit Hilfe von speziell ausgebildeten Ratten.
- Zu diesem Zweck wird mittels einer speziellen Vorrichtung Luft aus dem kontaminierten Erdboden abgesaugt und mit Hilfe eines Filters eingefangen.
- Diese Luftproben werden anschließend den Sprengstoffratten vorgelegt.
- Bei einer Kontamination verhalten sich die Sprengstoffratten entsprechend und der Sprengstoff wird angezeigt.
Doch nun stellen wir uns die Frage, inwiefern dieses Verfahren der Landminenerkennung im Erdboden auf die Luftfracht übertragen werden kann.
Ist die Partikeldurchlässigkeit von Erdboden gleichzusetzen mit der Partikeldurchlässigkeit von vakuumverpackten Frachtgütern?
Sehen wir uns die Problematik noch einmal etwas genauer an:
Frachtgüter sind, wie oben schon gesagt, oft dicht verschlossen, sodass kein Luftaustausch zwischen Frachtgut im inneren und der äußeren Umgebung stattfinden kann. Somit kann auch keine Luft von außen nach innen eindringen und umgekehrt.
Das REST-verfahren hat zum Ziel, Sprengstoffspuren aus der Luft im inneren des Frachtstücks mittels Filter und Sprengstoffspürhunden schnell und effizient zu erkennen. Soweit die Theorie. In der Praxis sind Frachtstücke jedoch aus Schutz vor Beschädigungen so gut wie nie nur einmal verpackt.
Der Einsatz von Mehrfachkartonagen und einer mehrfachen Umwickelung mit Frachtfolie riegeln den Luftaustausch quasi völlig ab. Das heißt, sollte das Frachtgut bspw. im inneren der Kiste in weitere Kisten oder Boxen verpackt sein, kann der Sprengstoffspürhund die potenzielle Sprengstoffgefahr gar nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen erschnüffeln.
Völlig egal wie gut das feine Näschen des Hundes arbeitet – die Erkennungsrate geht praktisch gegen 0.
Zudem besitzen alle Sprengstoffe eine bedingt aktive Ausdünstungszeit.
Das bedeutet, wenn jemand eine Bombe anfertigt, diese z.B. in eine Spülmaschine versteckt und noch einmal den Griff berührt, kann schon nach drei Tagen kein Sprengstoffspürhund die Partikelspuren am Griff erkennen. Der Geruch ist sozusagen „verdunstet“. Der Sprengstoff bleibt unerkannt – auch ohne luftdichte Verpackung.
Die Sicherheit des REST Verfahrens ist international umstritten
Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass rund 70% der Luftfracht in Passagierluftfahrzeuge verbracht wird.
Das heißt, wenn 20% davon mittels REST-Verfahren kontrolliert wurde, so ist davon auszugehen, dass in 14 von 100 Luftfahrzeugen, Fracht vorzufinden ist, welche mittels REST als ,,sicher‘‘ deklariert wurde.
Eine weitere Risikoquelle
Eine weitere Gefahrenquelle ist die Ausbildung der Sprengstoffsuchtiere. In den Niederlanden zum Beispiel setzen die Behörden Sprengstoffspürhunde ein, die ausschließlich mit extra hergestellten Research Sprengstoffen ausgebildet werden. Den Hunden ist es nämlich absurderweise nicht gestattet mit echten Sprengstoffen zu arbeiten.
Wenn jedoch Sprengstoffspürhunde nicht mit echten Sprengstoffen arbeiten dürfen, was genau sollen sie dann erschnüffeln?
Wir glauben kaum, dass Terroristen Rücksicht auf die Hunde nehmen und ausschließlich spezielle Sprengstoffe verwenden, welche die Sprengstoffspürhunde leicht erkennen können.
Wir, die First Class Zollservice GmbH, führen fünf Sprengstoffspürhunde und haben einige Selbstversuche durchgeführt.
- Einer dieser Versuche beinhaltete, dass wir eine geringe Menge Sprengstoff (unter 1,5g) in einer Plastikdose platzierten und diese Dose versteckten. Die Hunde konnten diese Dose mit Leichtigkeit anzeigen.
- Im zweiten Versuch legten wir die gleiche Menge an Sprengstoff in eine Spülmaschine und ließen die Tür einen Spalt offen. Auch hier konnten unsere Sprengstoffspürhunde die Gefahrenquelle erkennen.
- Im dritten Versuch legten wir wieder die gleiche Menge an Sprengstoff in die gleiche Spülmaschine – und schlossen die Tür. Damit haben wir die luftdichte Verpackung einer Luftfrachtsendung simuliert. Keiner unserer Hunde hat irgendein Anzeichen gegeben, dass sich dort Sprengstoff verstecken könnte.
Nur eine Anwendung der anderen Kontrollmethoden (X-Ray, Hand Search etc.) hätte diesen Sprengstoff finden können.
Es geht übrigens nicht nur um Sprengstoff
Nicht nur Sprengstoffe stellen ein potenzielles Risiko für die Fracht dar. Auch normales Gefahrgut wie z.B. brennbare Öle und Spraydosen können auf diesem Weg nicht oder nur sehr schwer erkannt werden.
Nicht umsonst sind solche Güter ja in der Luftfracht gesetzlich verboten, bzw. müssen deklariert werden.
Dadurch, dass die Fracht weder geöffnet noch durch eine Röntgenanlage überprüft wird, ist es so gut wie ausgeschlossen, undeklariertes Gefahrgut aufzufinden.
Unser Fazit zum REST-Verfahren
Wir, die First Class Zollservice GmbH, sind ein erfahrenes Transport- und Logistikunternehmen, welches sich seit über 25 Jahren mit Luftfracht und Luftfrachtkontrollen auseinandersetzt. Zudem haben wir einen 35 jährigen Erfahrungsschatz im persönlichen Umgang mit Hunden.
Wir sind überzeugt, dass das REST-Verfahren in der Praxis nicht umgesetzt werden kann, ohne Terroristen eine Sicherheitslücke in der zivilen Luftfahrt zu bieten.
- Insofern ist die Entscheidung in Deutschland kein REST Verfahren zuzulassen eine richtige Entscheidung.
- Dadurch, dass es innerhalb der EU keine vernünftige Abstimmung gibt und jedes Land machen kann, was es will, kommt es aber für Versender in Deutschland zu erheblichen Nachteilen.
Die Politik ist hier gefordert, eine EU-weit einheitliche Regelung für die Luftsicherheit zu schaffen. Und damit meine ich nicht, dass das REST Verfahren überall erlaubt wird, sondern, dass es überall abgeschafft wird.
Denn was nutzt die tollste Sicherheit bei deutschem Frachtgut, wenn dann am erstbesten Nachbarsflughafen im Ausland Bomben eingeschmuggelt werden können? Das ist jetzt etwas salopp formuliert, bringt das Problem aber gut auf den Punkt.
Unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten ist die Benachteiligung von Versendern in Deutschland ein großer Nachteil. Das gilt erst recht im aktuellen Umfeld einer beinahe-Rezession, die viele Industrieunternehmen schon seit einigen Monaten (im 2. Halbjahr 2019) zu spüren bekommen.
Aufgrund der erhöhten Nachfrage unserer Kunden bieten wir ab jetzt auch die Frachtkontrolle mittels REST-Verfahren sowie durch freilaufende Sprengstoffspürhunde an.
Mit dem Wegfall des Sonderkontrollverfahrens sind für viele Versender einfach dramatisch große Mengen an Fracht zum Problem geworden, weil sie in Deutschland nicht mehr als Luftfracht verschickt werden können.
Ob die Politik hier in den nächsten Monaten und Jahren einen Kurswechsel für mehr Sicherheit und gleichzeitig faire Marktchancen für alle Versender zustande bringt bleibt abzuwarten.